
Das war sie also, unsere erste Drittliga-Saison. Und auch wenn nicht alles so gelaufen ist, wie wir alle es uns gewünscht haben, so muss man doch festhalten: Wir BLEIBEN drittklassig. Allen Widrigkeiten, allem Gegenwind zum Trotz. Am Samstag gab es noch dazu einen im Großen und Ganzen ungefährdeten Sieg im Niederrheinpokal und damit verbunden die Teilnahme in der kommenden Runde des DFB-Pokals. Mit dem Saisonende ist – vollkommen „naturgemäß“ – der Abschied von einigen Spielern verbunden. Diesmal sind es einige unserer Aufstiegshelden, die den Verein verlassen müssen.
Raphael Koczor blieb zwar in seiner Zeit im Verein ohne einen einzigen Pflichtspiel-Einsatz, sammelte in dieser Saison aber immerhin eine gelbe Karte. Muss man auch erst mal schaffen. Dennoch war er immer wichtiger Teil der „Kabine“. In Erinnerung wird mir bei ihm immer bleiben, wie er mit der Perücke des „Hattingers“ bei den Aufstiegsfeierlichkeiten vorweg ging.
Michel Niemeyer konnte nach zwei Seuchenjahren endlich in dieser Saison für RWE sein Debüt bestreiten, stand aber dennoch nur wenige Minuten auf dem Platz. Bei ihm haben sich alle aufgrund seiner Vita sicherlich mehr erwartet, der Körper hat ihm leider einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Kevin Holzweiler hat da schon einige Einsätze mehr auf dem Feld für RWE gehabt, nach seinem Kreuzbandriss in der vergangenen Saison fand „Holz“ aber nicht mehr wirklich Anschluss an die Startelf und kam dementsprechend auch nur zu einigen Kurzeinsätzen.
Ein Spieler, der mir in den diesjährigen Lobeshymnen auf unsere Abgänge leider viel zu kurz gekommen ist, ist Niklas Tarnat. Noch in der letzten Saison galt er als einer der besten defensiven Mittelfeldspieler der Regionalliga, als er von heute auf morgen für Grote in die Bresche sprang. gehörte Tarnat noch bis zum 24. Spieltag zum Inventar, war dann krank und fand sich in den verbleibenden 14 Spielen nur noch zweimal (Heimspiele gegen Wiesbaden und Mannheim) in der Startelf wieder. Fünfmal war er in diesen Spielen nicht mal im Kader, ein weiteres Spiel fehlte er aufgrund einer Gelbsperre. Ich persönlich bin gespannt, wohin ihn sein Weg führen wird.
Doch bei drei Spielern, die uns nun verlassen, blutet mein Fan-Herz ganz besonders. Ich bitte darum, die folgende Aufzählung nicht wertend zu verstehen, aber man muss ja irgendwo anfangen.
Oguzhan Kefkir. Zur Saison 2019/20 gekommen vom KFC Uerdingen, 145 (!) Spiele für RWE, 29 Treffer, satte 46 Assists. Unvergessen sein Ausgleich gegen Bayer Leverkusen, oder auch sein Hattrick gegen seinen Ex-Verein aus Krefeld beim 11:0-Auswärtserfolg letztes Jahr. Ein zurückhaltender, immer freundlicher Typ, dem man trotz vielleicht schwankender Leistungen nie absprechen konnte, alles gegeben zu haben. Und auch, wenn ich diese Anekdote in den letzten Tagen totgeritten habe: Bei meinem Einsatz als Walter-Vertreter beim Heimspiel gegen Meppen hat er mir einen Treffer versprochen, der ihm trotz teils bester Chancen auch in den darauffolgenden Spielen nicht gelingen sollte. Umso mehr habe ich mich gefreut, als er dann derjenige war, der sich am Samstag in der Nachspielzeit die Kugel schnappte und sie unter Davari hindurch zum endgültigen Pokaltriumph in die Maschen drosch. Seine Verbeugung vor der West war sicher mehr als nur eine Geste, denn trotz seiner Bescheidenheit glaube ich, dass es ihm viel bedeutet hat, vor dieser Kulisse so oft aufzulaufen und von den Fans so geliebt zu werden. Dass sein Weg ihn nun nach Oberhausen führt – ausgerechnet zu dem Verein, den er durch seinen Treffer dessen letzter Hoffnung auf einen späten Ausgleich und damit aller Chancen auf den Pokalsieg geraubt hat – zeigt einmal mehr, was für ein astreiner Charakter „Ötzi“ ist. Nicht jeder Spieler hätte in demselben Wissen so gehandelt, sondern einem anderen Spieler die Verantwortung überlassen. Mach’s gut, Ötzi!
Dann wäre da noch Felix Herzenbruch. Das wandelnde Muskelpaket, das Mentalitätsmonster, der „Typ“! Ebenfalls 2019/20 zu uns gestoßen, nach einem kurzen Intermezzo bei RWO wieder zu uns zurückgekehrt und in die Herzen der West gespielt. Kaum eine Personalentscheidung trifft auf so viel Unverständnis wie die, „Herze“ keinen neuen Vertrag zu geben. Und das, obwohl er nach durchwachsenem Start gegen Elversberg und Duisburg durch seine Leistungen in den Augen vieler so etwas wie der „Aufsteiger der Saison“ sein dürfte. Mr. Zuverlässig halt, der da spielt, wo er gebraucht wird. Dreierkette außen, Viererkette außen oder in der linken Innenverteidigung… Natürlich war auch er nicht fehlerfrei in diesem Jahr, aber wer kann das schon von sich behaupten? Auch bei ihm gibt es in puncto Einsatzbereitschaft sicher keine zwei Meinungen. Nicht umsonst wurde er nach dem Ausfall von Felix Bastians der Kapitän der Mannschaft. 112 Spiele und fünf Treffer stehen für Herze zu Buche, eines davon diese Saison beim 2:0-Heimsieg gegen Bayreuth.
Mit ihm sind für mich zwei Szenen fest verbunden: Der Siegtreffer gegen Aachen letzte Saison in der Nachspielzeit, als er nach x Jahren erstmals wieder treffen konnte und sich danach ausgiebig, mit einem Stauder bewaffnet, auf dem Zaun der West feiern ließ. Auch sein Interview bei „Hafenstraße live“ war legendär, als er in Unterwäsche vor der Kamera stand und auf seine Gefühle beim Siegtor angesprochen erwiderte: „Ihr kennt mich – da zieh ich durch!“
Die zweite „Herze“-Szene, die zwar vielleicht nicht typisch für die Spielweise, aber den Menschen Felix Herzenbruch ist, zitiere ich gerne aus meinem Aufstiegs-Schmöker, es war beim 6:1-Heimsieg gegen den Bonner SC:
Dann gibt es Freistoß an der Eckfahne, der Ball kommt ans lange Strafraumeck zu Engelmann und plötzlich ist der Ball irgendwie im Netz, die wohl endgültige Entscheidung. Diesen Treffer reklamiert Herzenbruch beim Schiedsrichter für sich, hat er doch die Kugel unhaltbar abgefälscht, doch der zeigt sich unbarmherzig und nennt den Mittelstürmer in seinem Spielbericht. Herzenbruch nimmt das Ganze (natürlich) mit Humor. Im Interview nach dem Spiel darauf angesprochen, wer das Tor erzielt habe, gibt er augenzwinkernd zu Protokoll: „Pass auf, ich sach dir datt! Der Engel schießt, der geht daneben eigentlich, und ich mit der Hüfte – Bamm! Weiße wieviele Tore der hat, ne, aber gönnt mir nicht so’n Dingen ma. Auch ma‘ gönnen können!“
Einfach herrlich. Auch wenn Herze nicht gebürtiger Ruhrpottler ist, so verkörpert er mit seiner offenen Art, was wir alle mit unserer Heimat verbinden. Zum Zeitpunkt dieses Textes ist noch nicht bekannt, wie es für Herze weiter geht, ich persönlich wünsche ihm und seiner bezaubernden Familie alles erdenklich Gute. Abschließend sei an dieser Stelle hier ausdrücklich noch sein Interview bei jawattdenn.de genannt, das ich wirklich jedem RWE-Fan nur ans Herz(enbruch) legen kann.
Sage und schreibe 72 Treffer in 117 Spielen für RWE. Das ist die Bilanz von niemand geringerem als Simon Engelmann. Zu ihm muss man eigentlich nicht mehr viel sagen. Ohne Engel stünden wir nicht da, wo wir jetzt sind. Mit seinen 24 Treffern in der vergangenen Saison, darunter gleich zwei Dreierpacks (Uerdingen und Bonn) und wichtigen „game winning goals“ in Münster, Straelen und Wiedenbrück, oder dem „Dosenöffner“ gegen Ahlen ist er aus der Aufstiegstruppe sicher der alles überstrahlende Charakter. Doch wo andere ob ihrer Leistungen mit der Nase irgendwo im Himmel kleben, ist Simon Engelmann ein total zurückhaltender, freundlicher Kerl. Nur selten explodiert er mal emotional nach einem Treffer, aber wie er die Eckfahne nach dem Siegtor gegen Leverkusen weggeflankt hat, sein Jubel nach dem 2:0-Treffer gegen Ahlen Richtung West… das waren dann halt auch einfach immer tolle Momente.
In der Dritten Liga, dem so lange angestrebten Ziel unseres nun Ex-Torjägers, hat es aus gesundheitlichen Gründen in diesem Jahr nur zu 26 teils kurzen Einsätzen gereicht. Dennoch traf Engelmann sieben Mal, darunter zum Ausgleich gegen 1860 kurz vor Saisonende oder auch zum wichtigen Anschluss in Duisburg (einem Spiel, nach dem ich ein wenig die Hoffnung hatte, Engel könnte auch in dieser Liga seine Quote einigermaßen halten).
Ich selbst hatte gar nicht mehr auf dem Schirm, dass er sein erstes (bzw. seine ersten drei) Tore für RWE gegen Kleve im verspäteten Niederrhein-Pokalfinale gegen Kleve erzielt hatte. Umso schöner, dass sich der Zyklus „Engelmann“ nun im Finale gegen RWO mit dem 1:0 schließt. „Engelmann regelt“ zum letzten Mal für RWE. Wer auch immer ihm folgt, er hat unendlich große Fußstapfen, in die er treten muss. Für Engel geht es zurück zum SV Rödinghausen, den er damals wegen mangelnder Aufstiegsambitionen gen Hafenstraße verlassen hat. Wer weiß, vielleicht holt er sich ja seinen ureigensten Titel zurück: Torschützenkönig der Regionalliga West.
Für all die oben genannten Spieler endet die Saison also nicht nur mit dem Klassenerhalt in Liga drei, sondern auch dem Pokalgewinn. Auch wenn das Spiel nicht immer überragend war, so halte ich es ganz klar mit dem Kollegen von Catenaccio 07: Fußball ist ein Ergebnissport. Wer gewinnt, hat Recht. Ich werde vermutlich in den nächsten Tagen noch einmal detaillierter auf meine Sicht auf die Saison eingehen. Für den Moment gebührt die Bühne aber den Jungs, die uns so viel Freude bereitet haben.
Ganz besonders für Kefkir, Herzenbruch und Engelmann gilt aber meiner Meinung nach:
Für immer einer von uns.
Nur der RWE!