Wir sind zurück!

Na? Wieder nüchtern? Dies ist mein letzter Blogeintrag. Zumindest als Blogger eines Regionalligisten. Denn alles, was sich nach diesem Eintrag abspielt, wird sich um RWE als Drittligist drehen. Und ich nehme vorweg: Ich habe sicher die Hälfte von dem, was ich eigentlich schreiben wollte, sicher wieder vergessen. Es ist sicher auch etwas konfus, aber das ist im Moment, in der Phase des Realisierens, noch alles nicht so einfach in Worte zu fassen.

Leute, was war das für eine Party am Samstag? Mal ehrlich: Das haben wir alle uns in den letzten 14 Jahren mehr als verdient. Und genauso hat es sich diese Mannschaft verdient, die sich in satten 37 7/9 Spielen trotz aller Knüppel zwischen die Beine völlig zurecht am Ende den Platz an der Sonne geholt hat.

Als Schiedsrichter Dardenne das Spiel gegen Ahlen exakt bei 90:00 beendete, fiel die Anspannung der letzten Wochen von meinen Schultern und Tränen bahnten sich ihren Weg ans Tageslicht. Seit dem Spiel in Ahlen hatte ich diese permanente Angst, dass wir es wieder aus der Hand geben könnten, dass es trotz bester Vorzeichen – Punktevorsprung, dann Rückstand, aber weniger absolvierte Spiele – am Ende doch nicht reichen könnte. Dass ein Böllerwurf, dass nie erzielte Tore vielleicht dieses enge Rennen entscheiden könnte.

Doch diese Angst war seit Freitag letzter Woche umgeschlagen in eine Zuversicht, in Euphorie, dass uns der große Triumph doch gelingen würde. Marcel Hölscher, der Typ, dem wir noch letzte Saison zu „verdanken“ hatten, dass wir dank zweier Unentschieden gegen Wiedenbrück NICHT aufgestiegen waren, dieser Teufelskerl hielt mit spektakulären Paraden seine Bude gegen Münster sauber und bereitete den Weg für eine Willensleistung unserer Mannschaft, die sich diese Chance nicht mehr nehmen lassen wollte.

Vor dem Spiel nahmen mein in den letzten zwei Spielzeiten zum Freund avancierter Mitkommentator Ruthe und ich uns ausgiebig Zeit, um eine Runde ums Spielfeld zu drehen, die Leute auf den Tribünen zu betrachten, ein paar nette Worte mit ebendiesen zu wechseln und die Atmosphäre in uns aufzusaugen. Diese 16.500 waren gekommen, um sich das zu holen, was auf dem Spiel stand: Den Meistertitel. Und ich hatte Mühe, den Kloß im Hals zu unterdrücken. Mit den Streams hatten wir angefangen, da so gut wie niemand wegen dieser verdammten Seuche ins Stadion durfte, nun dieses Endspiel vor ausverkauften Heim-Rängen.

Zu diesem Anlass hatte unsere „aktive Szene“ mal wieder gezeigt, zu welchen Höchstleistungen sie imstande ist und eine Choreo von unerreichtem Maße auf die Tribünen gezaubert. Ein dickes Dankeschön dafür:

Wie eng die Saison an der Tabellenspitze war, kann man an den 87 Punkten ablesen, die wir und auch die Preußen erzielen konnten. Und so fallen einige Spiele irgendwie ganz besonders ins Gewicht:

  • Das unfassbare 3:2 in Münster nach 0:2 – Rückblickend ein echtes Sechs-Punkte-Spiel, als Christian Neidhart nach vercoachter erster Hälfte die richtigen Stellschrauben fand und die Truppe das Spiel noch drehte.
  • Das Rekordspiel gegen den KFC, bei dem RWE satte elf Treffer erzielte. Wie oft haben wir in den letzten Wochen gelesen, so gut sei unsere Tordifferenz nicht, wenn man dieses Spiel abzöge. Eine Argumentation, die ich nie so richtig verstanden habe, denn wir HABEN ja diese Tore erzielt und niemand hat es der Konkurrenz verboten, dort ebenfalls so oft zu treffen. Dieses Spiel fiel übrigens in einer Phase, in der der KFC sich zu fangen schien und seinen ersten Saisonsieg erringen konnte – ein weiterer Punkt, der vielen RWE-Fans so etwas wie Angstschweiß auf die Stirn trieb.
  • Das 3:3 bei Fortuna Düsseldorf II nach 0:3, als Ero Krasniqi einen 25m-Strahl in die Maschen jagte. Dieser Punkt, den andere Teams vielleicht nach 20 Minuten unter dem Motto Schadensbegrenzung abgeschenkt hätte, war in der Schlussabrechnung im Wortsinne Gold wert.
  • Sorry, Homberg: Auch das Eigentor, das uns in Homberg den Sieg sicherte, muss man unter „wichtig“ verbuchen. Der VfB hat hier wirklich alles dafür getan, das 0:0 über die Zeit zu bringen, auch hier wieder: Ein Sieg der Mentalität.

Klar, im Verlauf der Saison war nicht alles immer eitel Sonnenschein, was die blanken Ergebnisse betrifft. ABER: Eine Saison ohne Niederlagen oder Unentschieden wird man einfach nicht finden. Wir haben eine überragende Saison abgeliefert, es war der Böller, dessen Schatten seit Februar wie eine Gewitterwolke über unserem Stadion schwebte. Drei Niederlagen auf beiden Seiten (die gewertete mit hinzugerechnet) auf beiden Seiten – in Liga zwei konnte man sich satte neun Pleiten erlauben, um Platz 1 zu erringen, in Liga drei noch 6. Die Bayern wurden mit 5 Niederlagen recht locker Deutscher Meister. Nein, diese Regionalliga gestattete nicht viele Fehler. Umso höher ist es der Mannschaft anzurechnen, wie sie sich gegen alle Widerstände, gegen alle Störgeräusche von außen immer wieder aufgerappelt hat.

Überhaupt: Die Mannschaft. Wer diese Jungs Samstag noch beim Feiern beobachten konnte, merkte, wie sehr es einfach „stimmte“. Von Youngstern wie Kesim bis zu gestandenen Spielern wie Thommy „immer fokussiert bleiben“ Eisfeld, einfach alle feierten „auf Augenhöhe“, da gab es keine großartige Grüppchenbildung. Selbst unser Torgarant Engelmann, der in den Netzwerken oft als leidenschaftslos dargestellt wurde, war ganz vorne mit dabei (das hat sich auch in Lotte gegen Rödinghausen und auch im Spiel Samstag beim Torjubel gezeigt). Ein Raphael Koczor immer ganz vorne mit dabei – trotz satten null Minuten Einsatzzeit über die gesamte Saison gesehen. Sein Titel des „Partykönigs“ wird vermutlich nur von Herze übertroffen. Felix Herzenbruch, nie um einen Spruch verlegen, verkappter Torjäger (dem sogar von Engelmann noch ein Tor geklaut wurde, da lege ich mich fest!) und dank seines Einsatzes mit einem dicken Stein im Brett bei den Fans. Nur wenigen wird die Ehre zuteil, auf den Zaun zu dürfen – Herze ließ sich gleich noch eine Hopfen-Kaltschale reichen.

Als im Winter nur wenige Stunden vor seiner Suspendierung Magen-Darm-Erkrankung Gerüchte über die Wechselabsichten von Grote aufkamen und wenig später die Bestätigung erfolgte, war es für mich zunächst unvorstellbar, wie diese Lücke, die er hinterlassen würde, jemals gefüllt werden sollte. Niklas Tarnat war mit seinen 23 Jahren aber sofort zur Stelle und machte mit seinem Einsatz Gedanken an ein Vermissen des ehemaligen „Quarterbacks“ schnell den Garaus. Die Geschichte von Harenbrock – ebenso unfassbar. Als Talent gekommen, zweimal schwerstens verletzt, Vertragsverlängerung trotz fast zwei Jahren ohne Einsatz, am Ende ein absolutes Identifikationssymbol für Tausende auf den Rängen. Kaum ein Spieler atmet Rot-Weiss wie er.

Einen weiteren Platz im Herzen aller Rot-Weissen nimmt sicher Isy Young ein. Was hat der an Metern abgespult. Keiner im Team hat so viele Gegner ausgedribbelt – vermutlich hat auch keiner so oft den Ball dabei verloren – alles egal! Tor des Monats gegen Düsseldorf II, neun Treffer, 14 Assists haben Begehrlichkeiten geweckt und nicht nur ich hoffe, dass RWE einen Weg findet, ihn ein weiteres Jahr im Verein zu halten.

Und natürlich wäre die Meisterschaft ohne die 24 Treffer von Engelmann kaum möglich gewesen. Meist etwas behäbig, technisch nicht so versiert wie manch anderer, aber immer da, wo es gefährlich wird. Eigentlich muss man mehr gar nicht mehr zu ihm sagen.

Aber natürlich gehören sie alle dazu: Rios-Alonso, der erst im Saisonendspurt vom Stammplatz auf die Bank rücken musste, Jakob Golz, der Davari im Tor beerbte (der seinen Job ebenfalls großartig erledigt hatte, aber dem berühmten „neuen Impuls“ zum Opfer fiel und damit wohl nicht ganz einverstanden war. Bastians , der mit roten Schuhen auf einmal wusste, wo das Tor stand und mir ein paar unruhige Stunden bescherte („Viel Spaß beim Feiern!“ nach dem Unentschieden gegen Gladbach – ich Volldepp), Heber, der jetzt nicht mehr der beste Innenverteidiger der Regionalliga ist. Plechaty – der so unscheinbar wirkt, aber immer mit Rasierklingen unter den Achseln unterwegs ist… Die Liste könnte noch unendlich so weitergehen. Ihr wisst selbst, wer alles in unserem Kader stand. Einer kam mir dabei häufig zu schlecht weg: Oguzhan Kefkir. Immer offen in der Mixed Zone, immer ein freundliches Wort für jeden. Ja, so manche Flanke war nicht so doll. Aber 16 Assists sprechen eine deutliche Sprache.

Ein ganz dicker Brocken dieses Aufstiegs geht aber auf die Kappe von Christian Neidhart. Ein Mann, der mir immer in freundlicher Höflichkeit gegenüberstand, aber auch klar Dinge zur Sprache brachte, die ihm nicht so sehr gefallen haben. Dass er zwei Spieltage vor Schluss gehen musste, macht ihn zum tragischen Aufstiegshelden. Man kann nicht sagen, ob wir es „trotz“ (bitte die Ausrufezeichen als solche zu verstehen) Neidhart auch geschafft hätten oder nicht – darüber zu spekulieren ist unseriös und respektlos der tollen Bilanz Neidharts gegenüber. 2,29 Punkte unter seiner Führung, ein Schnitt, den über mehr als drei Spiele kein anderer Trainer an der Hafenstraße je erreicht hat. Die Tatsache, dass er auch in einem Interview nach seiner Demission kein schlechtes Wort über die Trennung, über RWE verloren hat, zeigt, was für ein großartiger Typ „CN“ ist. An dieser Stelle: Vielen Dank für zwei großartige Jahre. Dieser Aufstieg trägt ganz dick das Prädikat „Neidhart“. Viel Erfolg an der nächsten Station!

Mein Dank gebührt auch dem „Büro-Team“ der Geschäftsstelle, angefangen natürlich bei Marcus Uhlig, der mir die Möglichkeit geboten hat, im offiziellen Livestream ein Teil der rot-weissen Öffentlichkeit zu werden. Niclas, Noah, Stephan, Tani, Jan und all die anderen – ihr wisst gar nicht, was mir das alles bedeutet. Meine Reise als Kommentator bei „Hafenstraße live“ endete Samstag – neue Aufgaben werden sicher kommen (ja, auch die Highlights kommen noch – ebenfalls dank Magenta zum vorerst letzten Mal). Ich durfte viele tolle Leute kennenlernen, neue Kontakte knüpfen und Einblicke gewinnen, die „Otto-Normalfan“ sicher so nicht bekommt. So etwas vergisst man nicht!

Vielen Dank auch für all die lieben Worte, die uns zum letzten Stream erreicht haben. Ich hätte mich nie zu träumen gewagt, so viele Menschen so glücklich zu machen.

Wer mich (und Ruthe natürlich) nochmal in Aktion hören möchte – hier entlang:

Weiterer Dank geht an all die Vereine, die mich – den Hobby-Blogger – in all den Regionalliga-Jahren zumeist sehr unbürokratisch mit Akkreditierungen und Parkkarten unterstützt haben:

Bonner SC
Borussia Dortmund
Fortuna Düsseldorf
VfB Homberg
1. FC Köln
Fortuna Köln
SV Lippstadt
Borussia Mönchengladbach
Rot-Weiß Oberhausen
FC Sch***e 04
SG Wattenscheid 09
FC Wegberg-Beeck
Wuppertaler SV

Seid mir nicht böse, aber ich möchte mein Glück auch mal in Mannheim oder Osnabrück versuchen.

Nur ein einziger Verein hat meine Anfragen negativ beschieden, jeweils wegen „kein Platz“. Daher ausdrücklich auch dafür keinen Dank. Vielleicht könnt ihr ahnen, wer das wohl war.

Unser Aufstieg hat für Furore gesucht. Glückwünsche aus allen Teilen Deutschlands, Präsenz in allen großen Medien, ein beeindruckender, friedlicher Fanmarsch, ein rot-weisses Meer überall. Ein ungarischer Hopper war mehr als nur begeistert und hat ein äußerst sehenswertes Video veröffentlicht:

RWE ist wieder in aller Munde. Und so wird es jetzt auch für den Verein nicht nur komplexer, sondern auch leichter. Neue Unternehmen werden an die Tür klopfen und versuchen, die rot-weisse Anziehungskraft für ihre Reichweite zu nutzen. Mannschaften wie Waldhof Mannheim, der VfL Osnabrück oder der 1. FC Saarbrücken sind nun unsere Gegner, wir werden nicht mehr in allen Spielen der turmhohe Favorit sein, für die gegnerischen Teams ist ein Spiel gegen RWE nicht mehr das Spiel des Lebens. Das ist die große Änderung, an die wir als Fans uns sicher auch erst gewöhnen müssen. Wir werden vermutlich häufiger als in den letzten Jahren mit Schlappen umgehen müssen. All das ist okay. Denn wir sind zurück.

Es liegt an uns, diese großartige Chance zur nächsten großen Episode der rot-weissen Geschichte zu machen. Lasst uns gemeinsam die Republik unsicher machen – aber bitte nur auf dem Rasen und mit einem Support auf dem Niveau der letzten zwei Spiele. Lasst uns dieser Nation zeigen, wie großartig die Fans von Rot-Weiss Essen sind.

Denn wir sind RWE. Wir sind zurück.