Der krönende Abschluss 2020

Als der Unparteiische am vergangenen Mittwoch gegen 20:19 unser Pokalspiel gegen die Fortunen abpfiff, kannte auch der Jubel vor dem heimischen TV einfach keine Grenzen mehr. Zwar hatte ich am selben Morgen noch vorsichtig optimistisch über Facebook verkündet, dass wir das Spiel gewinnen würden, aber ein Blick auf die Zweitligatabelle und die zugegebenermaßen durchwachsene Leistung im letzten Ligaspiel konnte natürlich schon etwas anderes vermuten lassen. Die Art und Weise, wie die Mannschaft sich jedoch einmal mehr für den Erfolg zerrissen hat, war wirklich beeindruckend. Eigentlich muss man über das Spiel ja nicht mehr viele Worte verlieren, um aber den Sieg vollständig zu würdigen, bedarf es einiger Zeilen.

Schon nach wenigen Augenblicken hätte die Fortuna die Weichen in die falsche Richtung stellen können, ja müssen. Dass Prib den Ball semi-gefährlich auf Davari spielt, war sicher glücklich. Wie Grote dann einmal mehr den Pass der Düsseldorfer erahnt und Engelmann in Szene gesetzt hat, hat mit Glück aber nicht mehr viel zu tun, eher mit über Wochen aufgebautem Selbstbewusstsein. Und dass Engelmann auch aus aussichtslosen Positionen gerne den Abschluss sucht, hat sich offenbar bis Düsseldorf noch nicht herumgesprochen. Es war die dritte rot-weisse Chance, vorher hatte Endres schon derer zwei, scheiterte jedoch zunächst mit dem schwachen, dann nach einem Haken nach innen mit dem starken Fuß. Dennoch hatten diese beiden Szenen sicher dafür gesorgt, dass auch die Gäste einen gewissen Respekt zu entwickeln begannen.

Dennoch gehörte sicher das Gros der Ballkontakte dem Zweitligisten, der dann einen Stellungsfehler von Plechaty auch prompt mit dem Ausgleich bestrafte. Unbeeindruckt davon quasi im Gegenzug die Flanke aus dem Halbfeld vom nicht angegangenen Heber in den Sechzehner auf Kehl-Gomez, der aus drei Metern vollkommen blank einköpfen konnte – geradezu naiv verteidigt von den Gästen, die im Nachgang ein Foulspiel gesehen haben wollen, das aber meiner Meinung nach im Zuge der Zweikampfführung im Rahmen gewesen ist (ob das bei Anwendung des Video-Assistenten auch so gesehen worden wäre, darf bei den obskuren Entscheidungen aus dem Kölner Keller durchaus bezweifelt werden).

Im zweiten Durchgang kämpften beide Teams nicht nur gegeneinander, sondern auch mit dem immer schlechter werdenden Rasen im Stadion Essen. Vier Spiele in den letzten zwei Wochen (darunter ein Spieler der SGS-Damen) und stundenlange Regenfälle hatten dafür gesorgt, dass nicht nur die Schritte schleppender, sondern auch die Pässe ungenauer wurden, was den technisch überlegenen Düsseldorfern sicher größere Schwierigkeiten bereitet hat. Auf der anderen Seite hatten unsere Jungs zwar spielerisch nicht immer die besten Lösungen, standen defensiv aber dermaßen sicher, dass die Fortuna quasi keinen einzigen Torabschluss mehr herausspielen konnten. Besonders Condé war im wahrsten Sinne Gold wert. Nicht nur, dass er immer wieder die Zweikämpfe suchte, er behielt auch unter Bedrängnis die Ruhe und schirmte den Ball gegen zwei, drei Gegenspieler immer wieder ab. Mit seinem Steilpass auf den eingewechselten Kefkir machte er sich endgültig zum „Man of the Match“, Kefkir sorgte für die Vorentscheidung. Dass Hennings per Elfer noch das 3:2 erzielen konnte, fiel nicht mehr ins Gewicht, RWE steht erstmals seit 13 Jahren wieder in einem Achtelfinale des DFB-Pokals.

Stichwort Einwechselspieler: Hildebrandt war eine zusätzliche Stütze im Mittelfeld, der Druck von der Abwehr genommen hat. Für einen Spieler, der eher selten zum Einsatz kommt, fügte er sich perfekt in die Reihen auf dem Platz ein. Backszat – seit Wochen nicht dabei – so einen Mann kann man trotzdem bedenkenlos bringen. Dass auch Grund noch ein paar Minuten für den körperlich vielleicht eine Nummer robusteren Herzenbruch randurfte, freut mich für unseren Dauerbrenner. Und auch Platzo sorgte in der gegnerischen Abwehr dafür, dass dort keine Langeweile aufkommt. Unsere Bank ist eine Bank!

Beeindruckend aber nicht nur die Performance auf dem Platz. Auch in den Interviews nach dem Spiel wusste unser Team zu überzeugen: Kehl-Gomez stellte klar, dass die Mannschaft sich keineswegs nur in der Außenseiter-Position gesehen habe, sondern dass man mit dem Willen, die Saison ungeschlagen fortsetzen zu wollen, angetreten sei. (Ist jemandem bekannt, ob er noch eine Mitfahrgelegenheit gefunden hat?)

Was sich dann vor dem Stadion abspielte, sehe ich zugegebenermaßen sehr zwiegespalten. Einerseits kann ich die Emotionen total nachvollziehen, sogar die Pyro fand ich genial (zumal nicht in einem vollen Block auf der Tribüne). Es ist aber durchaus fraglich, ob 150-200 Leute (so die Polizei Essen) sich dieser Tage wirklich derart versammeln sollten. Ich hoffe, dass sich da niemand mit der Seuche infiziert hat, denn die Einhaltung von Abständen dürfte durchaus schwierig gefallen sein. Da die Exekutive keine Einwände hatte – wie auch öffentlich bestätigt – wollen wir mal das Beste hoffen. Ob der DFB ein Nachspiel prüft – wie es die Rheinische Post in einem unsäglichen Kommentar kolportiert-, lasse ich mal dahingestellt. (Anmerkung: Auch beim VfL wurde fleißig gezündelt, hier warte ich noch auf den den moralischen Zeigefinger hebenden Bericht der RP…)

2020 war für uns alle ein besonderes Jahr. Vor dem Abbruch der letzten Saison waren wir oben dran. Wir haben mitgefiebert, ob es einen juristischen Weg aus der Liga heraus geben würde, mussten aber dem SC Verl den Vortritt lassen. Dank der Peljhan-Kohle waren wir dennoch in der Lage, den ohnehin starken Kader noch zu optimieren. Jetzt erleben wir die Saison aller Saisons, es ist schwierig, morgens nicht mit einem fetten Grinsen in den Tag zu starten. Nicht nur der Blick auf die eigene Tabelle lässt das rot-weisse Herz leuchten, auch die Rivalen haben gerade keine gute Zeit.

Persönlich durfte ich Teil des Hafenstraße-live-Streams werden. Ein Privileg, für das ich gar nicht die Worte finden kann. Ich bin RWE unendlich dankbar für die Chance, die ich für alles andere als selbstverständlich halte. So sehr es mir auch Spaß macht, euch bei den Heimspielen live von der Hafenstraße zu berichten – noch geiler wäre es natürlich, wenn die Bude voll wäre! Aber wie es jemand mal irgendwo schon erwähnte: Vielleicht ist die leere Hafenstraße unser Opfer an den Fußballgott, um ihn milde zu stimmen, seine Gunst zu gewinnen und unseren Verein aus dem Sumpf zu ziehen.

Ich kann mich an keinen einzigen Jahreswechsel erinnern, an dem ich dermaßen hoffnungsvoll auf die Restsaison geblickt habe: Ohne Niederlage in allen Wettbewerben, mindestens drei Punkte netto Vorsprung auf den wohl einzigen Verfolger in der Liga (13 Punkte auf Platz 3 sind ein Brett!), finanziell das Bestmögliche herausgeholt, was in Corona-Zeiten möglich ist… In der Rückrunde gilt es nun natürlich, das Gezeigte zu bestätigen, weiter konsequent Punkte zu sammeln und auch den Niederrheinpokal nicht zu vernachlässigen, zeigt doch besonders das kürzlich Erlebte, welches (wirtschaftliche und moralische) Potential die Qualifikation für den DFB-Pokal bietet. Egal, wer uns im Achtelfinale zugelost wird – hier haben wir sicher den wenigsten Druck. (Ich halte es hier übrigens mit Marcus Uhlig, ein „schlagbarer“ Gegner wäre schön.) Dennoch ist die Priorität natürlich der angepeilte Aufstieg.

Die Impfungen fangen in wenigen Tagen auch in Deutschland an, mit dem Schutz vor diesem verkackten Virus steigen auch die Chancen, dass wir uns alle im Stadion wiedersehen können. Dass wir die Tore gemeinsam bejubeln, die Gegner gemeinsam beschimpfen und die Stauder gemeinsam genießen können.

Euch allen, liebe Leser, möchte ich für eure Treue danken. Jedes einzelne „Like“ und „Follow“ freut mich sehr! Liebe Leute, bleibt gesund, nehmt euch zum Jahreswechsel zurück und kommt trotzdem gut in unser Aufstiegsjahr! Und wenn am 05.06. RWE als Aufsteiger in die Dritte Liga feststeht, feiern wir das alle zusammen, ja?

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