So langsam macht es mir Angst: RWE ist auch nach 17 absolvierten Partien ungeschlagener Spitzenreiter der Regionalliga. Dabei durfte einem nach dem eher mäßigen Auftritt bei Alemannia Aachen durchaus Böses schwanen, hatten die Kölner doch zuletzt 10 Punkte aus vier Spielen geholt und waren alles andere als Laufkundschaft.
Davari war nach seiner Corona-Quarantäne zurückgekehrt und verdrängte Jakob Golz wieder auf die Bank. Außen starteten Kefkir und Young, ansonsten setzte Neidhart auf die gewohnte Mannschaft. Young war es auch, der nach nur wenigen Minuten den Torreigen hätte eröffnen können, vielleicht war er aber von den ihnen gewährten Freiheiten zu überrascht, um den Treffer zu erzielen. Dies sollte aber zunächst die letzte Chance für RWE in den ersten dreißig Minuten sein, denn die Kölner pressten früh, drängten RWE in die eigene Hälfte und verhinderten jegliche Angriffe frühzeitig. Andererseits vergaben sie auch gleich drei- oder viermal beste Möglichkeiten durch überhastete Abschlüsse.
Am Ende war es dann ein Standard, der den rot-weissen Knoten lösen sollte. Nach einem Freistoß von rechts landet der Ball bei Engelmann, der legt zurück auf Kefkir, der aus dem linken Halbfeld scharf vors Tor flankt. Kehl-Gomez wirft sich in die Flugbahn und lenkt den Ball mit der Fußspitze am Keeper vorbei zum 1:0 ins Tor. „Glücklich“ wäre der falsche Begriff in Ermangelung echter Kölner Chancen, doch der Treffer hatte sich auch nicht wirklich abgezeichnet.
Fünf Minuten später war ich im Stream wohl etwas voreilig: Harenbrock hatte mit einem schönen Pass Engelmann in den Sechzehner geschickt, dessen Schuss landete aber jenseits der Pfosten. Aus meiner Perspektive flatterte der Ball jedoch ins lange Eck und ich ließ mich zu einem „Engelmann regelt!“ hinreißen… Na ja, sei’s drum!
Dafür gab es beim folgenden Angriff tatsächlich Grund zum Jubeln: Young setzt seinen Gegenspieler an der Mittellinie unter Druck, über Umwege landet der Ball bei Kehl-Gomez. Ein schneller Pass auf Young, ein Sprint, ein Querpass und Kefkir erzielt das 2:0.
Damit standen die Kölner natürlich vor einer immensen Aufgabe. Einen einzigen „Wackler“ gab es jedoch nur noch in der ersten Halbzeit, als sich Grote plötzlich von drei Gegenspielern umringt sah und dan Ball verlor, am Ende konnte der Routinier aber die Situation noch selbst entschärfen.
Zu Beginn der zweiten Hälfte war es der erneut bärenstarke Grote, der mit einem Steilpass auf Young die nächste dicke Chance einleitete. Young tauchte frei vor dem Gästekeeper auf, brachte aber keinen Druck hinter den Ball, sodass auch diese Chance verpuffte.
Doch immer noch wehrten sich die Kölner gegen die drohende Niederlage. Zunächst strich ein Schuss von der Strafraumkante nur knapp am Pfosten vorbei, wenige Momente später war Davari zur Stelle, als die Abwehr mit vereinten Kräften nicht imstande war, den Ball aus der Gefahrenzone zu befördern. Nur zwei Zeigerumdrehungen später war er dann aber machtlos: Köln über links, Heber hat beim Abschluss den Fuß dazwischen und fälscht den Ball zu einer Bogenlampe ab. Davari kann noch mit einer Hand verhindern, dass der Ball über ihn den Weg ins Tor findet, bekommt dann aber den Ball durch die Beine gespitzelt und muss mit ansehen, wie der Kölner Zorn (also der Spieler, nicht die Emotion) den Ball über die Linie drückt.
Dem geneigten RWE-Fan schießen ob solcher „Knickerbälle“ die schlimmsten Erinnerungen durch den Kopf. Doch RWE 2020 ist anders. Angriff über Young auf dem rechten Flügel, ein Foul, ein Pfiff, Gelb-Rot für den Kölner Voloder nur eine Minute nach dem Anschluss. Den fälligen Freistoß bringt Grund in den Sechzehner Grote… na ja, schießt irgendwie, mit dem Rücken zum Tor über die Schulter und Krahl im Tor der Kölner muss tatenlos mit ansehen, wie der alte Abstand wiederhergestellt ist. Ein wunderschöner, weil nicht alltäglicher Treffer zum 3:1.
Damit war das Spiel quasi entschieden, da die Gäste nicht mehr die nötige Wucht aufbringen konnten, um RWE nochmal gefährlich werden zu können. Anders unser Team: Langer Ball von Grote auf Plechaty, der kann den Ball im Sechzehner mustergültig annehmen, ist dann aber vermutlich überrascht, weil der Keeper weggerutscht war und auf dem Hosenboden sitzt. In der nächsten Szene ist Plechaty auf rechts erneut blitzeblank, bei seinem Pass vors Tor kommt der eingewechselte Endres kommt einen Schritt zu spät.
Stichwort Endres: Grote (mal wieder…) auf Harenbrock, der steil auf Endres, der wiederum mit dem Abschluss am Tor vorbei. Man muss fast schon ein wenig Mitleid mit Joshua Endres haben, der immer engagiert bei der Sache ist, im Abschluss aber zu unglücklich agiert.
Platzek traf kurz vor dem Abpfiff noch per Kopf die Latte, dann hatte der Unparteiische ein Einsehen mit den Kölnern und beendete das Spiel.
17 Spiele ohne Niederlage und 41 von 51 möglichen Punkten damit allein in dieser Saison. Wahnsinn! Wenn meine Recherche stimmt, gab es in der rot-weissen Historie nur in der Saison 1991/92 eine ähnliche Serie, damals erlitt RWE erst am 20. Spieltag (im März! Die Saison hatte nur 30 Spieltage.) die erste von zwei Saisonniederlagen. Nach 19 Spieltagen standen damals umgerechnet (es galt noch die Zwei-Punkte-Regelung) 43 Punkte zubuche. Sollte RWE also am Mittwoch gegen Straelen erneut einen Dreier einfahren, wäre eine neue Bestmarke erreicht. Aber „am Ende kackt die Ente“, die Saison ist – auch dank guter Arbeit in puncto Corona-Bewältigung seites des Verbandes – noch lang genug. Zeit zum Durchatmen bleibt nur wenige, den Druck hat sicher eher der BVB beim Blick auf die Tabelle – trotz der weniger absolvierten Partien.
Die Mannschaft – und da wiederhole ich mich vermutlich – macht auf mich einen dermaßen gefestigten Eindruck, dass ich mir aktuell nicht vorstellen kann, dass sie in der Hinrunde überhaupt besiegt werden könnte. Es ist beeindruckend, wie ein Grote aufblüht, wie Kehl-Gomez das Spiel organisiert und antreibt, wie abgebrüht die Abwehr auftritt, und wenn Engelmann nicht regelt, macht es halt jemand anderes. Diese auf mehrere Schultern verteilte Torgefahr erinnert mich ein wenig an die Saison 2003/4, als wir vorne mit Koen, Schoof und Köhler bestens besetzt waren und auch aus dem Mittelfeld durch Bilgin, Yildirim und Co. eine ganze Reihe Treffer erzielt wurden.
Natürlich gibt es immer Dinge, die man verbessern kann. Die Vielzahl der vergebenen Chancen in der Schlussviertelstunde beispielsweise oder die Art, mit der man die Kölner vor dem Anschluss aufgebaut hat. Neidhart hat dies aber erkannt und arbeitet an diesen Baustellen, da mache ich mir keine Sorgen.
Am Mittwoch drücken wir alle natürlich auch RWO die Daumen, ich jedenfalls würde mich über ein Unentschieden oder gar einen Sieg gegen die Borussen nicht beschweren.
Ein Kommentar zu „Den (Geiß-)Bock umgestoßen“