Abseits: Skisprung-Weltcup in Willingen

Vorab eine kleine Entschuldigung meinerseits: ich habe zu Rödinghausen keinen Bericht geschrieben. Allerdings ist mir die Partie dermaßen aufs Gemüt geschlagen, dass ich mindestens bis mittwochs danach daran zu knacken hatte. Ich denke, die meisten hier können das nachvollziehen.

Jetzt muss der geneigte Leser wissen: ich bin mehr so der Mannschaftssport-Typ. Handball, Hockey, Volleyball und natürlich Fußball – ganz egal, kann ich prima mitfiebern. Im Winter haben wir am Wochenende meist ganztägig die öffentlich-rechtlichen Sender eingeschaltet, um dort beispielsweise Biathlon, Rodeln oder Bob zu verfolgen. Ebenfalls okay, kann ich nebenbei gut gucken. Was mich aber spätestens in der Ära nach Hannawald weder gepackt noch interessiert hat, war Skispringen. Ob es damals RTL übertrieben hat, ob es daran lag, dass andere Nationen die Deutschen aber sowas von abgehängt haben – ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich dabei gerne auch mal eingeschlafen bin.

Nun also zum ersten Mal live dabei. Leider hatte unser geplanter Babysitter nur zwei Tage vorher aus gesundheitlichen Gründen passen müssen, was dazu führte, dass wir nun niemanden hatten, der unsere Zwillinge hüten konnte. Also rief ich am Donnerstag beim Ausrichter, dem Ski-Club Willingen an, um sicherzustellen, dass wir die beiden auch mitnehmen können. Die gute Dame am anderen Ende der Leitung zeigte sich jedoch wenig kooperativ. Auch nach Rücksprache sagte sie mir, die beiden bräuchten selbstverständlich eine Eintrittskarte, allerdings sei das Springen ausverkauft und es sei ja schließlich auch schon wegen des Risikos (sic!) aufgrund der Sicherheitsvorgaben mal überhaupt nicht zulässig. Dass die beiden nur zwei Jahre alt seien und keinen eigenen Sitzplatz brauchen würden – egal. Sie könne mir da leider nicht helfen, leider müsste ich dann wohl auch darauf verzichten. Kleiner Spoiler an dieser Stelle: es hat NIEMANDEN auch nur ansatzweise irgendwie interessiert, ob die beiden ein Ticket haben. Ich hätte es auf eine Diskussion ankommen lassen und hatte insgeheim darauf spekuliert, dass man am Einlass schon die Ordner hätte überzeugen können.

Die Aussage, dass wir ein Ticket brauchen würden, halte ich angesichts der nicht erfolgten Kontrolle übrigens als Frechheit und versuchte Geldmacherei. Hätte ich jetzt tatsächlich für rund zweimal dreißig Euro ein Ticket gekauft – ich hätte mich ziemlich geärgert. Hier würde ich mir vom Ausrichter eine Anpassung der Bedingungen dahingehend wünschen, Kinder bis zu x Jahren kostenlos zuzulassen und dies auch so kundzutun. Die Randsportart Skispringen kann sicher jeden Zuschauer und Nachwuchs gebrauchen – das schafft man sicher nicht auf die gelebte Art.

Kurzer Schritt zurück: wir stiegen also in den Zug im Nachbarort, um vom extra eingerichteten „Weltcup-Bahnhof“ mit den Knirpsen auf den Schultern gute 2km bergauf, begleitet von unfassbar vielen polnischen Fans, die mir schon nach wenigen Minuten mit ihren Tröten auf den Zeiger gingen. Dort ist der Sport dank vieler erfolgreicher Athleten tatsächlich sehr populär. Da viele Menschen mit polnischen Wurzeln auch in Deutschland leben, z.B. im relativ nahen Pott, verwundert es eigentlich nicht wirklich, dass wohl deutlich mehr Polen als Deutsche im Stadion (heißt auch dort so) waren.

Der Anblick auf Schanze und den Sprunghügel ist schon beeindruckend. Ich selbst würde dort nicht einmal normal herunterfahren, geschweige denn dabei vom Boden abheben wollen. Aber jeder nach seiner Façon, sage ich ja immer.

Blick auf den Sprunghügel, rechts und links oben Stehplätze am Hang

Ich nutzte das Event, um meine neue „Erkennungsmarke“ auszuführen – ich bin jetzt stolzer Besitzer einer eigenen Fahne. Die Story, wie viele Nerven mich das Teil gekostet hat, wäre einen eigenen Blogbeitrag wert – ich erspare euch das aber. Nur soviel: nicht überall arbeiten Experten auf ihrem Gebiet. Wie dem auch sei, ich hoffe, das Ding wird auch im Stadion Essen und auswärts seinen Platz finden. Mehrfach dürfte es auch im TV zu sehen gewesen sein.

Da es am Vortag zu windig war, wurde der Samstag für die Athleten zur Belastungsprobe: neben dem Trainingssprung wurde zunächst die Qualifikation für das Hauptspringen durchgeführt, bevor es dann zum eigentlichen Springen kam. Da nicht jeder Sprung wie am TV mithilfe diverser Zeitlupen seziert wurde und die Pausen zwischen den einzelnen Sprüngen mit Musik der Marke „Ballermann/Après-Ski“ gefüllt wurden, war das Ganze doch recht kurzweilig. Dass Lokalmatador Stephan Leyhe (der einst beim SC Willingen aktiv war) die Quali gewann, trug zusätzlich zu einer gelassenen Stimmung auf den Tribünen bei.

Den vielen Sprüngen des Tages war es vermutlich auch zu verdanken, dass zwischen den Durchgängen nur knapp 20 Minuten zu überbrücken waren – bei Temperaturen knapp über 0 Grad ein willkommener Moment, um die eingefrorenen Körperteile in Bewegung zu versetzen, ein paar Schritte zu machen oder die Lebensmittel-Vorräte – der geneigte Skisprung-Ultra greift gerne auch zum Alkohol – aufzufüllen.

Leyhe musste sich im ersten Durchgang hinter dem Polen (ausgerechnet!) Kamil Stoch einordnen, hatte dabei aber nur einen knappen Rückstand auf selbigen. Da die Jury offenbar entschied, den Anlauf zu verlängern (sagte man mir), wurden die Sprünge im Finaldurchgang noch einmal spektakulärer, die Distanzen größer und die „Ziiiiiiiieh“s lauter.

Leyhes letzter Sprung des Tages ging entsetzlich weit herunter, hier war die letzte Weitenmarkierung gerade gut genug. Der Jubel auf den Tribünen – zumindest unter den deutschen Fans – fand jedoch seinen Höhepunkt, als Stoch seinen zweiten Sprung verpatzte, sodass „der von hier“ tatsächlich im 25. Weltcup in Willingen seinen ersten Weltcupsieg feiern konnte.

Die Tribünen leerten sich Minuten nach der Siegerehrung rasant, was zu A40-ähnlichen Verhältnissen auf den Abreisewegen führte. Wir erreichten den Shuttlebus nach einem weiteren Gewaltmarsch (Zwillinge, remember? und ließen den Tag im Hotel bei einem ausgedehnten Abendessen ausklingen.

Fazit: es war cool, diesen Sport mal live zu erleben. Für jede Woche wäre das für mich nichts, was aufgrund der Seltenheit hierzulande ja auch gar nicht möglich wäre. Trotzdem ist die Atmosphäre durchaus erlebenswert – hier gilt im Übrigen eher „alle feiern zusammen“, von Rivalität ist außer der Lautstärke beim jeweiligen Springer nichts zu merken. Aber das ist ja auch nicht immer das Schlimmste.

Sonntag kommender Woche kommt der RWO an die Hafenstraße. Da werde ich dann sicher auch wieder über RWE schreiben. Lasst uns das Team zu einem wichtigen Erfolg peitschen!

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