„Wattenscheid Null-Neeeeeeuuun wird niemals untergeh’n“ – Nun also doch: Die SG Wattenscheid 09 muss ihre Pforten endgültig schließen. Das letzte Spiel gespielt, das letzte Tor geschossen.
Ungern denke ich an die Spiele in der Lohrheide zurück. Ich kann mich ehrlicherweise an keine Partie erinnern, die ich richtig gut fand. Zu oft gab es ein tristes Unentschieden oder eine herbe Packung, vor dem TV-Schirm auf dem Sexy-Sportclip-Sender auch gerne mal eine trostlose Vorstellung unseres Teams. Und auch an der Hafenstraße lief es nicht zwingend besser. Sei es, dass uns die Altintop-Zwillinge quasi im Alleingang mit 0:4 abschossen, dass wir in der Schlussphase noch einen Doppelpack zur Niederlage kassierten oder dass ein Elfmeter gegen uns gepfiffen wurde, obwohl der SGW-Stürmer das Handspiel selbst begangen hatte.
Viele Spieler haben sowohl eine Wattenscheider als auch eine rot-weisse Vergangenheit: Alexander Löbe, René Renno, Thomas Kläsener, Sven Lintjens, Harald Kügler, Baris Özbek, Carsten Wolters,Uwe Neuhaus, um nur mal ein paar Namen zu nennen. Aktuell gehören mit Cokkosan, Obst, Schneider, Tomiak, Weber, Geisler, Hirschberger, Kaya, Studrucker und Yesilova gleich zehn ehemalige Essener zum Team. Weitere große Namen des internationalen und deutschen Fußballs neben den Altintops verbindet man ebenfalls mit dem Nachbarverein: Maurice Banach, Souleyman und Leroy Sané, Thorsten Fink, Michael Skibbe, Michael Preetz, Marek Lesniak. Legendär natürlich Trainer Hannes Bongartz, der die Wattenscheider seinerzeit in die Erstklassigkeit führte.
Die SG galt als Überraschungsmannschaft in der Bundesliga, konnte aber nach dem endgültigen Rückzug von Mäzen Klaus Steilmann Mitte der 90er nie mehr an höhere Ligen ernsthaft anklopfen. Wenn man Wikipedia glauben darf, drohte bereits 2007 die Insolvenz, damals in der Verbandsliga. Im Jahr darauf qualifizierte man sich für die NRW-Liga und ist seit 2013 in der Regionalliga West auch Gegner von RWE.
Finanziell kam es aber nie wieder zu einer ruhigeren Phase. Über die Jahre gab es immer wieder zu hören, dass Gehälter nicht gezahlt würden. Dies mündete 2015 gar darin, dass der WLFV mitteilte, dass die SGW keine Lizenz für die kommende Spielzeit erhalten würde. Dies wurde jedoch wenige Tage später bereits revidiert.
Anstatt spätestens dann auf seriöses Arbeiten hinzustreben, träumte man unter Zuhilfenahme eines asiatischen Unternehmens nun davon, zum digitalisiertesten Verein überhaupt zu werden – bekanntermaßen floss die Kohle dafür nie.
Höhepunkt der „mageren Jahre“ dann Mitte der letzten Saison, als eine Crowdfunding-Kampagne gestartet wurde, um den Verein zu retten. Diese wurde in meinen Augen jedoch zur Farce, als Präsident und Fitnessstudio-Geschäftsführer Oguzhan Can im Angesicht des Scheiterns der Kampagne den Restbetrag (ich meine, rund 250.000 € von 350.000 €) dann doch selbst übernahm. Als Krönung heuerte Peter Neururer als sportlicher Leiter an der Lohrheide an, konnte jedoch nur durch Interviews in Erscheinung treten, in denen er das Gebaren des Präsidiums anprangerte und dies unter anderem als „Lügengerüst“ bezeichnete.
Nun ist also der Deckel drauf. Der Verein wird wohl abgewickelt, die Mitarbeiter – darunter natürlich auch Trainer und Spieler – freigestellt. Das ist natürlich schade für diese Leute, aber ich als „erfahrenes Insolvenzopfer“ kann bestätigen: Es geht immer irgendwie weiter. Die Jugend soll erst mal fortbestehen, aber das ist ein ganz anderes Blatt.
Für die Anhänger, die ihren Verein so wie ich RWE im Herzen tragen, ist es natürlich ein mehr als bitterer Schnitt. Für einige Leute bedeutet es den Verlust des Lebensinhaltes, ganz sicher.
Ein Stück Fußballtradition geht ebenfalls verloren. Aber man kann nicht nur die Erhaltung eines Traditionsvereins als Argument dafür nehmen, das x-te „Retterspiel“ anzusetzen. Spott und Häme halte ich dennoch für unangemessen, auch wenn uns drei Punkte aus dieser Saison damit abgezogen werden.
Mich erinnert der Verein in den letzten Jahren an Leute, die in finanzielle Schieflage geraten und sich an jeden noch so windigen Kredithai, an jeden noch so brüchigen vermeintlich rettenden Strohhalm klammern, der am Ende dann doch bricht.
Und den Neururer hätten sie spätestens durch die Inso-verwalterin per Abmahnungen von der Gehaltsliste kriegen müssen. Hätte nichts gerettet, wäre aber ein Zeichen gewesen.
Wenigstens steht die Jugendabteilung nicht auf der Straße.
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