War das nun ein Punktgewinn oder ein Punktverlust, was wir da heute im Spiel gegen den SV Straelen erlebt haben? Ich vermag es nicht wirklich zu entscheiden.
Der Aufsteiger rührte von Beginn an jede Menge Zement an. Mit zwei engen Abwehrketten ließ man unserer Mannschaft keinen Platz, die schnellen Spieler gefährlich in Szene zu setzen, während zwei Spieler jeweils Becker und Zeiger anliefen, um die Spieleröffnung von dort zu verhindern. Und so kam es, dass von RWE in der ersten Halbzeit kaum eine Situation sehenswert genug war, um sie an dieser Stelle überhaupt zu schildern. Zu oft blieben Bichler und Scepanik außen an den Verteidigern hängen oder es wurde zu lange mit dem Torabschluss gezögert, so dass der Ball geklärt werden konnte. Die Gäste hingegen kamen gleich mehrfach gefährlich vors Essener Tor. Nach nur acht Minuten fischte Raeder einen fein aufs lange Eck gezirkelten Freistoß aus dem Winkel – ein Freistoß, den der heute (vorsichtig gesagt) nicht immer glücklich aussehende Schiedsrichter gegen Zeiger nach einem eigentlich harmlosen Zweikampf verhängt hat. Einen weiteren Schuss wehrte unser Keeper ebenso sehenswert über die Latte ab. Trotzdem ging es mit einem – für RWE schmeichelhaften – 0:0 in die Pause.
Die zweite Hälfte begann dann (leider) mit einem Paukenschlag: Straelen spielt sich über die linke Abwehrseite bis zur Grundlinie durch, der Pass zurück kann nicht verhindert werden, aus dem vielzitierten Hintergrund fällt der Treffer zum 0:1. Ein Tor, wie wir es gefühlt diese Saison schon zum vierten, fünften Mal gesehen haben. Trotzreaktion auf Essener Seite? Eher Schockstarre. Als nur wenige Momente später Baier einen Ball eher halbherzig zurückspielt, spielt Straelen einen Konter, wie er sonst wohl nur auf der Playstation zu sehen ist: links raus, quer, steil, vor dem Torwart quer und ab in die Maschen – 0:2.
Wie schon gegen Lippstadt nun also ein Zwei-Tore-Rückstand. So enttäuschend der Spielverlauf bis zu diesem Moment war, umso beeindruckender der Wille, die Moral, sich in dieses Spiel nochmal zurückzukämpfen. Während Straelen nun jede Sekunde nutzte, um auf Zeit zu spielen (Liegenbleiben nach Allerweltsfouls, Abstöße, die dreißig Sekunden und länger dauerten…), kam RWE endlich zu eigenen Aktionen. Besonders über den nach der Pause bärenstarken Alaba Heber wurde der Druck nach vorne stärker, und als Neitzel Urban für den heute enttäuschenden Lucas brachte, konnte Grund ins Mittelfeld rotieren und von dort ebenfalls dafür sorgen, dass der Ball besser als zuvor verteilt wurde. Trotzdem hatte der Aufsteiger die endgültige Entscheidung auf dem Fuß, doch Raeder klärte mit einer Fußabwehr vor dem RWE-Ex Björn Kluft.
Es sollte bis eine Viertelstunde vor Schluss dauern, bis RWE zum Anschlusstreffer kam. Irgendwie bezeichnend für den Spielverlauf, dass der Treffer durch einen Standard fiel: Flanke Baier, Urban am langen Pfosten völlig blank köpft ein. Nur eine einzige Minute später gab es quasi dieselbe Szene erneut: Flanke Baier, erneut Urban, doch diesmal war der Gästekeeper zur Stelle und konnte zur Ecke klären. Noch während ich meinen Freunden im WhatsApp-Ticker dies schrieb, flog der Eckball auf den langen Pfosten und Becker traf zum Ausgleich – Wahnsinn!
Ab diesem Moment waren es quasi nur noch die Hausherren, die das Spiel beherrschten. Zwar kamen auch die Gäste angesichts der aufgerückten Essener Defensive noch zu Kontern, den Siegtreffer hatte jedoch Baier auf dem Fuß, als er nach einem schönen Steilpass am Torwart scheiterte.
Die Punkteteilung geht wohl nach dem Spielverlauf in Ordnung. Ärgerlich jedoch, dass zum zweiten Mal in Folge kein Sieg gegen einen Aufsteiger gelungen ist. Gerade mit dem erhofften Ziel „Aufstieg“ im Hinterkopf ist dies eigentlich eine Pflichtaufgabe. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass Straelen sicher noch immer von der Aufstiegseuphorie zehrt, zumal man in der Tabelle relativ sicher platziert ist.
Aufgrund der ersten Halbzeit möchte ich mich diesmal nicht auf einen Spieler des Tages festlegen, denn hier wurde auf allen Positionen versäumt, das Spiel auf das Niveau zu bringen, das uns in den vergangenen Wochen so verwöhnt hat. Einen rabenschwarzen Tag hat sicherlich Nico Lucas heute erwischt. Er wirkte mit der harten Gangart und dem hohen Tempo der Konter der Gäste überfordert, ja verweigerte sogar mindestens zwei Zweikämpfe und ermöglichte damit Aktionen des Gegners. Auch er kann es besser, das hat er bewiesen.
Kritisch sehe ich derzeit unsere Defensivleistung. Zwar betont der Trainer, dass die Gefahr fürs eigene Tor der taktischen Grundausrichtung geschuldet ist, doch fallen mir die Gegentore „zu leicht“, was gerade defensive Teams dazu verleitet, sich mit Mann und Maus im eigenen Sechzehner einzuschließen, um dann überfallartig bei Ballgewinn auszuschwärmen und uns einen Hieb zu versetzen. Ich bin aber guter Dinge, dass unser Trainer das Spiel seiner Neitzelmänner hier noch optimieren kann. Die kommenden Gegner sind zudem nicht dafür bekannt, sich hinten reinzustellen, was unserer Spielweise sicher entgegenkommen dürfte.
Man hat heute leider auch gesehen, warum Neitzel lieber Pröger in die Sturmzentrale stellt als Wirtz. Pröger reißt mit seiner Geschwindigkeit immer wieder Lücken und kann auch mal „in den Lauf“ angespielt werden, Wirtz ist dagegen eher der Spielertyp, dem man den Ball zum Torschuss auflegen muss. Das soll bitte nicht als Kritik an Wirtz selbst verstanden werden – er gehört halt nur zu einer anderen Art Stürmer. A propos Pröger: Wann wird eigentlich der Einspruch behandelt? Übernächste Woche? In meinen Augen auch reine Schikane!
Bleibt die Eingangsfrage zu klären: Klar, auf den ersten Blick ein Punktverlust – gegen einen frech aufspielenden Aufsteiger nach zwei Toren Rückstand aber sicher ein Punktgewinn – und ein weiterer Sieg für die Moral allemal – das bringt aber keine Punkte in der Tabelle. Hier können morgen Lippstadt (!) und Viktoria uns die vorübergehende Tabellenführung wieder abnehmen, zudem hat die zweite vom BVB noch ein Nachholspiel und könnte vorbeiziehen.
Mittwoch geht es für unsere Truppe bereits weiter mit der Partie bei der Zweitvertretung von Borussia Mönchengladbach. Dieses Spiel werde ich übrigens – PREMIERE – als Co-Kommentator bei Radio Hafenstraße kommentieren. Schaltet ein!
Sehr gute Analyse !
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Da würde ich ja glatt mal reinhören am Mittwoch, bin aber unterwegs und schaffe es vielleicht noch nach Rheydt.
Straelen scheint wirklich ein höchst unangenehmes Kaliber zu sein.
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