Mächtig in die Hose…

Endlich wieder Pflichtspielalltag, kein Pokalgeplänkel, keine unwichtigen Testspielereien, nein: Punktejagd.

Bei kühlem aber winterlich-schönem Wetter lockte also endlich wieder die heimische Hafenstraße, und ein latenter Optimismus lag in der Luft, dass heute gegen die Tabellenkeller-Kinder vom Bonner SC direkt der erste Heimsieg gelingen sollte. Und auch das Team schien sich der Verantwortung bewusst und erarbeitete sich nach nur wenigen Sekunden direkt die erste Ecke, die jedoch wirkungslos verpuffte. Was folgte, vermochte einem die Verwunderung ins Gesicht zu treiben: Um jeden Zentimeter wurde gekämpft und verlorene Bälle noch in der gegnerischen Hälfte zurückerobert. Der Bonner SC kam einfach nicht in die Partie, trotzdem gehörte ihm die erste „Chance“ des Spiels, als Pröger einen Ball in Höhe der Mittellinie nur knapp vor seinem Gegner erwischte und ihn per Pressschlag klären wollte. Damit überlistete er jedoch die eigene Abwehr und schickte einen Bonner auf die Reise, der aber den Ball ungefähr so verzog, wie Baier neulich seinen Elfer in Düsseldorf.

Unbeeindruckt rollte jedoch ein Angriff nach dem anderen auf das Bonner Tor. Gleich zweimal hatte Platzek die Führung auf dem Fuß, Pröger hätte in einer Situation nur noch ablegen müssen, entschied sich aber für den Torschuss, der pariert wurde. Malura flankte einige Male gut in die Mitte, sodass in höchster Not geklärt werden konnte, zudem fehlte es manchmal am Quentchen Glück beim entscheidenden Pass. Auf der anderen Seite musste Heller, der für den kurzfristig verletzten Lenz wieder im Kasten stand, ein einziges Mal nach einer tollen Einzelaktion eines Bonners reagieren, ansonsten brannte hinten dank dem erneut bärenstarken Philipp Zeiger mit seinen Compagneros Meier und Becker nichts an.

Leider jedoch wurde der enorme Einsatz nicht belohnt, und so ging es torlos in die Pause. Nach dem Wechsel bot sich ein ähnliches Bild, aber die Bonner begannen, die Essener Angriffsbemühungen immer wieder frühzeitig zu unterbinden, so dass es kaum noch Torszenen zu sehen gab. Gerade als Giannikis Brauer und Lucas (heute linkes Mittelfeld) gegen Harenbrock und Jansen getauscht hatte, geschah das Unfassbare: Eine eigentlich harmlose Flanke flog in hohem Bogen in den rot-weissen Strafraum, der ansonsten abgeklärte Timo Becker dachte wohl, Heller nähme sich des Balles an und zog den Kopf ein. Hinter ihm jedoch fiel der Ball einem Bonner Spieler vor die Füße, der trotz aller Überraschung die Nerven behielt und den Ball aus zwei Metern fast schon versehentlich im Tor unterbrachte.

Was folgte, waren erneute, mehr oder weniger wütende Angriffe der rot-weissen, doch Bonn tat jetzt das, was man erwartete: Sie igelten sich im eigenen Sechzehner ein und begannen mit einem Zeitspiel der fürchterlichsten Art: Bei gleich zwei Wechseln taten die Auszuwechselnden so, als ob sie gar nicht wüssten, dass sie gemeint seien, bei einer Ecke versuchte einer der Ersatzmänner, Baier an der Ausführung zu hindern und begann eine Diskussion mit dem Schiedsrichter, der ihm sogar schlussendlich die gelbe Karte zeigte. Gleichzeitig schlichen sich bei RWE immer mehr Ungenauigkeiten ins Passspiel ein, so dass ein ordentlicher Aufbau von Druck kaum noch möglich war.

Zu diesem Zeitspiel-Gedöns sei mir eine persönliche Anmerkung gegönnt: Ich bin der Auffassung, dass hier viel öfter und konsequenter von den Unparteiischen durchgegriffen werden müsste. Zeigt ein Spieler nicht deutlich, dass er an dem Wechsel seiner Mannschaft teilnehmen möchte, indem er den Platz zügig verlässt, so sollte der Schiedsrichter den Wechsel für den Moment ablehnen und ihn auf die nächste Unterbrechung verlegen. Für mich sind Szenen wie diese (oder der Eckball, für den sich am Ende niemand mehr zuständig fühlte) ein Plädoyer für das Anhalten der Uhr. By the way: Kann sich irgendwer an ein ähnliches Zeitspiel unserer Mannschaft erinnern – und ich meine nicht „mit dem Ball zur Eckfahne“?

In einer einzigen Szene lag der Torjubel schon den meisten Anwesenden auf der Zunge, aber der Ball wurde wohl tatsächlich vor der Linie geklärt, sodass es auch keinerlei Proteste der Spieler gab. Am Ende griff mal wieder die alte Weisheit „Machste se vorne nicht, kriegste hinten einen.“

Eines der besten Heimspiele seit langem – zumindest in Halbzeit eins – wurde durch einen einzigen individuellen Fehler total ad absurdum geführt. So wurde aus dem Bonnduell ein Abend, der mir persönlich noch schwer im Magen liegt und an dem ich noch ordentlich zu verdauen habe (man möge mir die Wortspielerei verzeihen).

Was mich allerdings positiv stimmt ist, dass der in Düsseldorf noch so schwache Baier heute wieder Präsenz und Einsatz zeigte. Einige wichtige Ballgewinne, Grätschen, ein zwei Haken am Sechzehner und das Auge für den Mitspieler – so wie man ihn sehen will. Pröger hingegen hat heute einen rabenschwarzen Tag erwischt. Nicht nur oben beschriebene Chance für Bonn, auch einige unnötige Ballverluste, der vergebene Torschuss statt dem Querpass zum sicheren 1:0 und ein Lauf auf die linke Seite, an dessen Ende er den Fall wegen des schwachen Fußes nicht mehr sinnvoll abspielen konnte. Nein, bei ihm lief es heute nicht rund.

Spielerisch war die erste Halbzeit toll anzusehen. Immer wieder wurden Pässe mit dem Rücken zum gegnerischen Tor angenommen und direkt auf die Außenspieler abgelegt. Hier gab es zwar auch einige Ausrutscher, aber nichts, woran man nicht arbeiten könnte.

Erwähnenswert auch, dass nicht die leiseste Note in Richtung des scheidenden (hihi, Scheide! *kicher*) Trainers zu hören war. Die Fans haben bislang anscheinend akzeptiert, dass er noch zu uns gehört. So muss das.

Zu den Choreos vor dem Spiel und nach der Halbzeit wird es bestimmt an anderer Stelle zu lesen und sehen geben. Danke an die Organisatoren, das war zweifache Gänsehaut!

Nachdem das Nachholspiel in Wuppertal abgesagt wurde, erwartet uns als nächstes der SC Wiedenbrück, von dem ich mit Schrecken vernommen habe, dass er auf Tabellenplatz 3 rangiert.

Ich hoffe, dass der Frust über die heutige unnötige Niederlage bis dahin aus den Köpfen der Spieler ist. In der aktuellen Situation jedoch reisen wir als Außenseiter an, und das muss ja nicht immer die schlechteste Voraussetzung sein. Vielleicht tut ein bisschen Demut uns auch mal ganz gut.

2 Kommentare zu „Mächtig in die Hose…

  1. War wohl so ein typisches Spiel, bei dem Du bis Mitternacht kicken kannst und es ändert sich nichts.

    Guter Gedanke mit dem Zeitspiel. Ich denke, man sollte das als Unsportlichkeit ahnden könnden dürfen. Vielleicht würde das auch schon ein bißchen Tempo bringen?

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