Lethargie.

Nein, es fühlt sich auch am Tag danach noch nicht besser an. Hatte ich das Wuppertal-Spiel noch als Ausrutscher erhofft, so bin ich gestern eines Besseren belehrt worden. Das gestern war keine Niederlage, es war eine Vorführung.

Bereits nach 9 Minuten unterlief Meier ein folgenschwerer Fehler, als er, sein Team im Vorwärtsgang, einen Pass in die Füße eines Wiedenbrückers spielte. Brauer grätschte zwar noch, der Gegner blieb jedoch am Ball. Meier ließ ihn noch übers Bein springen, konnte damit aber nicht mehr den Pass auf den mitgelaufenen Gegenspieler verhindern, der frei vor Heller kein Problem hatte, den Ball ins lange Eck zu schieben.

Was nun folgte, war für das rot-weisse Fan-Dasein eine Qual. Wiedenbrück presste, wie schon die Jungs aus dem Tal, bereits in der Essener Hälfte und machte damit jegliches Angriffspiel zunichte. Cokkosan verlor ein ums andere Mal den Ball in der Vorwärtsbewegung (oder konnte ihn gar nicht erst ordentlich annehmen), und der auf dem Papier vielversprechende Angriffsblock mit Grund, Platzek, Jansen und Pröger blieb ohne Chance. So ging es schließlich ohne weitere Höhepunkte unter einem gellenden Pfeifkonzert in die Pause. Cokkosan durfte dann – sorry Tolga – völlig zurecht den Rest der Partie von draußen betrachten.

Unmittelbar nach dem Wechsel keimte dann bei mir (ich Idiot!) und vielen anderen ein Funke Hoffnung auf: langer Einwurf von Pröger, verlängert, der eingewechselte Bednarski hält die Rübe hinein – 1:1! Noch während Walter Ruege dem Sponsor für 50 Euro für die Jugendkasse dankte, klingelte es im Gegenzug leider wieder im Essener Gehäuse. Ohne größere Gegenwehr spielten die Wiedenbrücker sich in dieser Situation den Ball mehrfach zu, bis einer aus gut 17m flach ins linke Eck einschob.

Eine gute Viertelstunde später gab es dann nach einer Vorteilssituation nach einem Foul einen weiteren Konter über die rechte Abwehr-Seite (die von Urban bearbeitet wurde), in der Mitte stolperte Meier den Ball an Heller zum 1:3 vorbei.

Dass der ansonsten absolut unauffällige („unglücklich“ wäre gelogen) Jansen nach einer tollen Einzelleistung von Platzek noch das 2:3 erzielte und danach in den letzten 10 Minuten nochmal so etwas wie Druck aufkam, dass Wiedenbrück noch per Foulelfmeter in der Nachspielzeit auf 2:4 erhöhte – geschenkt.

Dass der Unparteiische gestern auch mit Sicherheit nicht seinen besten Tag hatte, sei nur am Rande bemerkt. Er entschied zwar in einigen Situationen merkwürdig (mehrfaches Nachtreten ist meines Wissens nach rot…), ging aber auch konsequent mit gelben Karten gegen Zeitspiel in jeglicher Form vor (Weiterspielen nach Pfiff, Ball mitnehmen, Abstoß…). Spielentscheidend waren seine Pfiffe jedoch nicht, auch wenn wir auf der Tribüne noch schwadronierten, dass einem wohl keiner glaubt, wenn wir immer sagen, wie viel Pech wir mit den Schiris haben.

Was mich so genervt hat, war jedoch, dass keiner der Akteure auf dem Feld ansatzweise so zum Zuge kam, wie es zuletzt noch gegen Köln zu Hause oder bei den beiden kurz vor Schluss unentschieden geendeten Partien war. Baier war zwar „stets bemüht“, konnte aber alleine auch nicht ständig den Ball erkämpfen, und wenn, waren seine Mitspieler meist so gut abgedeckt, dass Pässe in die Spitze unmöglich waren. Querpässe im Mittelfeld die Folge. Etwas mehr Schwung kam tatsächlich mit der Auswechslung von Cokkosan zur Pause. Urban mag ein guter Innenverteidiger sein, ihm fehlen aber ganz eindeutig die Qualitäten eines Malura, der sich auch ins Angriffsspiel mit (mehr oder weniger gelungenen) Flankenläufen einschaltet. Urbans Weg führte meist zurück zu Zeiger, der auch diesmal wieder gerettet hat, was ging. Erst als Wiedenbrück in der Schlussphase dem hohen Tempo und ständigem Pressing Tribut zollen musste, kamen auch Spieler wie Grund oder Brauer wieder besser zur Geltung.

Was muss jetzt geschehen? Ich halte es für völlig absurd, jetzt den Kopf des Trainers zu fordern, wie es einige tun. Klar, Demandt hätte Jansen herausnehmen und zum Beispiel Ngankam bringen können. Schlechter hätte es nicht werden können. Aber dem Trainer kann man weder die beiden späten Gegentreffer gegen Bonn und Uerdingen ankreiden, noch die Schlafmützigkeit, die unsere Truppe beim 0:1 und 1:2 demonstriert hat. Beim 1:3 und 2:4 war die Abwehr schon quasi aufgelöst. Wellings Kopf wird naürlich von den üblichen Verdächtigen nun umso mehr gefordert, in den sozialen Medien trieft es nur so vor Spott und Zynismus, die den aktuellen sportlichen Misserfolg in sinnlose Zusammenhänge mit Winklers Gerichtsprozess, der Ausgliederung oder der Kündigung des Marketingleiters in Zusammenhang bringen. Ich frage mich ernsthaft, warum sich diese Leute überhaupt noch unseren Club antun.

Meiner Meinung nach braucht es jetzt mehr denn je Ruhe. Im Verein nach außen (im Innenverhältnis sollte der Trainer ein Machtwort sprechen!), der Presse (hallo, Reviersport!) und auf den Tribünen. Die „unser ganzes Leben“-Gesänge nach dem 1:3 gestern waren vielleicht ein Schritt in diese Richtung. Dieses Team hat bereits bewiesen, dass nicht so schlecht ist, wie das Spiel gestern Glauben macht. Wir müssen hoffen, dass wir die kommende englische Woche mit dem Pokalspiel in Kleve (das auf keinen Fall verloren werden darf!) und dem Match in Wegberg mit zwei Siegen abschließen, damit das Selbstbewusstsein wieder zurückkehrt, ohne dass wir weder in Bonn noch in Uerdingen überhaupt diese zwei Pünktchen hätten holen können.

Der Versuch, gestern mit Jansen und Platzek eine Doppelspitze aufzubieten, ist krachend gescheitert. Jansen konnte in den vorigen Partien nach seinen Einwechslungen noch für sich reklamieren, dass ihm da womöglich die vielgenannte Bindung zum Spiel gefehlt haben mag. Gestern jedoch war er  in der Startelf und hat sogar durchgespielt. Eine Empfehltung für weitere Startelfeinsätze konnte ich jedoch nicht erkennen. Dementsprechend würde ich hier zunächst bei dem bewährten Konzept mit Platzek als Spitze bleiben. Urban konnte auf seiner Seite auch nicht überzeugen (s.o.), Malura dürfte hier also demnächst wieder gesetzt sein. Der letzte Schritt, den ich zumindest in Erwägung ziehen würde, wäre ein Torwartwechsel. Zwar mag der Keeper in 1-zu-1-Situationen häufig alt aussehen, doch zu positiver Körpersprache und Selbstvertrauen dürfte auch hier nicht führen, wenn man keine einzige bislang für sich entscheiden konnte. Sei es gegen Bonn oder gestern gleich doppelt (beim zweiten Mal mit dem Foul zum Elfer).

Dass ein guter Freund, seines Zeichens MSV-Anhänger, mir gestern mit Abpfiff nur „Alter!“ schrieb und mir sein Mitleid aussprach, spricht für mich Bände. Und ich habe bis zum Anpfiff tatsächlich gehofft, wir könnten aus den kommenden 4 Ligaspielen 12 Punkte holen. Nochmal: Ich Idiot! Was bleibt, ist die Hoffnung, dass ja irgendwann der sagenumwobene Bock platzt und der Knoten umgeworfen werden kann. Ein Sieg an einem Freitagabend kann einem das Wochenende so schön versüßen, eine Niederlage in der Form wie gestern macht es komplett zunichte.

Trotzdem werde ich auch beim nächsten Heimspiel meinen Platz wieder einnehmen. Anders als einige, die gestern Zeuge dieser Schmach wurden.

2 Kommentare zu „Lethargie.

  1. Wahre Worte. Allerdings hege ich die Befürchtung, dass diese Saison bereits jetzt gelaufen ist. Es passt zu vieles einfach – mal wieder – nicht zusammen. Mein persönlicher Pragmatismus.

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